Kritik zu 'Das hässliche junge Entlein' von 'FigurenTheater St.Gallen/Schweiz'

Was Grau war, wird weiß

Das 'FigurenTheater St. Gallen' zeigt beim 30. Luaga und Losna-Festival die Inszenierung 'Das hässliche junge Entlein' nach Hans Christian Andersen
Foto: Frauke Jacobi




Eigentlich hat es seine Mama sogar sehr lieb gehabt, denn sie war so schön..... 'so schön dick!' Doch dem hässlichen Entlein, das sich so sehr aufs Leben freut, und nichts lieber will als ins Wasser zu springen und zu schwimmen, wird es zunächst mal nicht so leicht gemacht; schon in der ersten Lebenssekunde wird es heruntergeputzt: 'Groß, grau und hässlich' sagt Entenmama zu ihrem Küken, das gerade zaghaft aus der Eierschale lugt. Kein guter Anfang für so ein Vogelleben, dementsprechend unsicher und irgendwie begossen betritt die Titelfigur die Bühne des Lebens: Ein kleines, graues, struppiges Vögelchen kraxelt aus den beiden Eierschalen. Man empfindet gleich Mitgefühl mit ihm, kann gar nicht glauben, dass irgendjemand gemein zu ihm sein könnte. Doch die Gemeinheiten scheinen kein Ende zu nehmen: Nicht nur dass die Mutter es schikaniert, ihn sogar vom Schwimmunterricht abhalten will, auch der intrigante Hühnerhof – Truthahn, Graugans, Hahn und Henne - stürzt sich auf den wehrlosen Außenseiter und droht ihm sogar mit 'Zerhacken!'. Die bitterste Grausamkeit kommt aber von der selbstverliebten französischen Ente: Sie plustert sich eitel vor ihrem Spiegel auf , und hält diesen dann dem hässlichen Entlein hin, lässt es mit seiner Hilflosigkeit alleine. Wer würde da nicht von zu Hause abhauen?
Einen Hoffnungsschimmer und einen Vorboten auf das gute Ende gibt es aber von Anfang an: Denn Frauke Jacobi, Erzählerin und Darstellerin dieses Abends, kommt schon als weißer Schwan, als bereits 'verwandeltes' hässliches Entlein auf die Bühne, und erzählt die Geschichte aus der Rückblende. Emotional und mit voller Energie geht sie in jede einzelne Rolle hinein – die bräsige Mutter, der das lange Brüten zu fad wird und die nur um ihren Ruf besorgt ist, all das boshafte Federvieh, das dem Schwanenküken das Leben schwer macht – aber auch alle weiteren Wesen, dem es begegnet: Da ist zum Beispiel ein Vogel im Wald, der dem Entlein beinahe den Tod wünscht, und dann selber vom Jäger erschossen wird, und später die alte Frau, die es zur Legehenne machen will. Aber gerade, wenn Jacobi selber zum hässliche Entlein wird, sehen wir die ganze Hoffnung, Freude, Traurigkeit, Verzweiflung und Mut des Titelhelden, lebendig und klar.
Dass die Puppenspielerin so dicht an der Geschichte dran ist, ist nicht nur Verbundenheit mit Andersens Werk, sondern jahrelange Arbeit: Bereits vor 18 Jahren hat sie am Theater im Waidspeicher Erfurt die Inszenierung in Zusammenarbeit mit dem Regisseur Lars Frank erarbeitet, Ausstattung und Puppen weitgehend selbst entwickelt. Seitdem spielt sie es immer, mit nur wenigen Veränderungen. 'Ich wollte immer wieder damit aufhören, aber ich kann einfach nicht' sagt Jacobi selbst mit einem Lachen, 'ich musste sogar einmal im Schwanenkostüm ins Krankenhaus eingeliefert werden!'
Dass sie mit Leib und Seele das hässliche Entlein ist, spüren auch die jungen Zuschauer, die ihr gebannt und mit lebhaften Zwischenrufen folgen, auch über die sehr düsteren Klippen der Geschichte. All des gehört eben zum Leben dazu.
Als alles schon fast zu qualvoll wird, rettet das Leben selbst den jungen Vogel: 'Ich schlief einen ganzen Winter lang....', und im Frühling ist aus Grau Weiß geworden: Die Metamorphose, durch all die bitteren Schichten der Entwicklung ist vollbracht, und der junge, jetzt erwachsene Vogel, kann endlich fliegen.
Puppenspiel und Schauspiel verschmelzen an diesem Abend sehr harmonisch ineinander. Dem Publikum wird künstlerisch vielfältig, aber vor allem ehrlich Andersens Geschichte neu erzählt, und das tut gut... um auch für einen selbst das Graue weiß zu machen.

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