Kritik zu 'TV(i) Monde' von 'Cie les Décatalogués' von Martin Meißner

....ja bin ich denn im falschen Fernsehprogramm?“
Foto: Cie les Décatalogués


Die französische Gruppe 'Cie les Décatalogués' präsentiert zum 30. Luaga und Losna-Festival ihren Walkact 'TV (i) Monde'

….Wären Sie gestern in der Feldkircher Innenstadt auf dem Wochenmarkt gewesen, hätten folgende Sätze Sie etwas angehen können:
'Eine Amsel flattert durch deinen ersten Satz.... Ein Frösteln geht über die Tapete.... Ein Apfel ist ein Wörterbuch, wenn er vom Baum fällt....'

Star dieses Morgens sind zwei Männer: Der Eine wohnt in dem Anderen.
Der eine ist ein Riese in blauer Arbeitskluft, der einen Fernseher auf der Brust geschnallt hat. Wie der Lieferant vom Media Markt, nur irgendwie viel größer. Wir weichen ihm schnell aus, denn dieser Mann ist zu groß, bestimmt zwei Meter, und läuft dafür, dass er nur in die Luft schaut und so schweres Gepäck hat etwas zu schnell. Doch dann wird der Fernseher zum Fenster, und ein cooler, smarter, piekfeiner Dandy mit Schlips, Anzug und Sonnenbrille erscheint.
Jetzt wird klar, dass der 'Arbeiter' nur Kostüm, beziehungsweise Bühnenbild, oder beides gleichzeitig ist (Austattung: Steff Albédo, Florence Godin, Cie Abédo). Der Mann im Fernseher ist echt. Wo doch Fernsehen nur eine Illusion ist. Und dieser Mann im Fernseher versorgt uns mit Illusionen, mit Tricks. Zaubertricks. Und gebannt wie Kinder schauen wir den Tricks zu, die wir vielleicht als Kind schon im Fernseher gesehen, aber auch damals als Kind nicht verstanden haben. Und über die wir vielleicht immer noch staunen: Etwa der mit dem Kartenspiel. Wir sollen uns eine Karte merken, er wirbelt mit den Karten herum, und plötzlich ist eben nur noch die eine da, die wir sogar mit einem Stift markieren durften. Wie macht er das? Oder das Ei, das im Ärmel verschwindet, dann aber im Mund des Hauptdarstellers wieder auftaucht....Häh? Und eben anders als in der Glotze dürfen wir wirklich mitmachen, staunen, klatschen, lachen
Doch der Mann im Fernseher ist nicht nur Zauberer, er ist auch Charmeur, Chansonnier, und ein bisschen Charlie Chaplin - da schmeißt er sich mal mit einer saftigen Karaoke-Version von 'Georgia on my mind' an eine Passantin ran, die leider nicht so ganz in seinem Programm mitmachen will; mal lädt er sein Publikum ein, mal überfällt er es sogar regelrecht, als wollte sein Fernseher den einen oder anderen zufällig dastehenden, dasitzenden, vorbeilaufenden Passanten oder Zuschauer verschlingen und wie das sprichwörtliche Kaninchen aus dem Hut wieder hervorzaubern. Außerdem wechselt er seine Spielorte in der Feldkirchner Innenstadt, schlägt manchmal fast Haken, als ob er seine 'Verfolger' auszutricksen wolle.
Und irgendwie ist er (Regie, Text und Spiel: Art Gael) dann aber doch noch mehr: Da werden während eines Tricks die Sprachen Europas von Band gesprochen – deutsch, englisch, italienisch und mehr – schließlich auch Adjektive wie 'arm', 'reich', 'glücklich'..... doch beim Wort 'Flüchtling' scheint es einen Sprung in der Platte zu geben, und er versucht, mit Handbewegungen diesen Fauxpas zu überspielen. Manchmal kommen auch ziemlich absurde – zwar witzige, aber nicht wirklich verständliche Sätze aus den Lautsprechern des Fernsehers, zusammen mit echt cooler Musik, zum Beispiel 'Girl from Ipanema'. Verstehen wir das? Nein. Aber was wäre denn Fernsehen in echt, also wenn Fernsehen wirklich 'echt' wäre? Cool, unterhaltend, und schön, und manchmal auch richtig überraschend.


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