Kritik zu Es schneit Eiderdaunen (Theater Marabu) von Lena Leitner
Die Veranschaulichung von kaputten und gescheiterten Elternrollen
Viele Kinder gehen durch eine Phase der Sorge, dass ihre Eltern sich trennen werden. Sie machen sich Gedanken, dass jeder Streit zu der Entscheidung führen könnte, die Familie aufzugeben. Sie warten auf den Moment, in dem das passieren wird, hoffen insgeheim aber, dass dieser nie wirklich kommt.
Die Theatergruppe Marabu bringt mit dem Stück Es schneit Eiderdaunen von Jorieke Abbing eine Thematik auf die Bühne, die jeden anspricht und die jedem bekannt ist. Konfrontationen mit familiären Schwierigkeiten erlebt wohl jeder im Laufe der Jahre.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht die Tochter Pomme (Nadja Duesterberg), die in ihrer Position überhaupt keine Kontrolle über das hat, was zwischen den Eltern passiert: Wie sie zueinander stehen und wie sich ihre Beziehung weiterentwickeln wird.
Sie steht als neutraler Punkt in den Konflikten des ehemaligen Paares da, der die Problematik löst, oder zumindest teilzeitig verbessert. Das führt aber dazu führt, dass sie selbst komplett ohnmächtig ist: Sie steht nicht in ihrer Macht, irgendetwas zu verändern oder gar zu verbessern. Sie ist dem Ganzen nur ausgeliefert.
Doch mit Erwähnungen wie: "Pomme, sag doch auch mal was" wird das Kind in das problematische Geschehen mithinein gezogen, wo es doch eigentlich nichts zu suchen hat. Als persönlichen Anker schafft sie sich eine Fantasiewelt, die ihr zur Flucht aus der Realität dient. In dieser ist sie die Moderatorin einer Fernsehshow, in der sie in die Machtrolle steigt, die sie in ihrer Realität nicht hat. Die Werbeeinblendungen, die ihre Gedanken und Gefühle offenbaren, zeigen ein starkes Bild ihres Wunsches nach einer glücklichen Familie. In diesen schlüpfen nämlich die Eltern in die Rollen eines verliebten Paares, das weit entfernt von Streit und Problemen zu sein scheint. Immer, wenn die Tochter die Realität nicht mehr ertragen kann, versinkt sie in ihre Welt, in der all diese Probleme nicht existieren.
Die Tochter steht zwischen ihren Eltern und lebt mit dem inneren Konflikt, sich für einen der beiden entscheiden zu müssen. "Zu wem halte ich?" Das ist eine Frage, der sich jedes Kind in einer Konfliktsituation der Eltern bald einmal stellt.
Das Kind Pomme hat eine starke Beziehung zur Mutter (Nika Wanderer), die durch liebevolles und kindliches Spielen repräsentiert wird. Die etwas bizarre und unnatürliche Darstellung einer Beziehung der Zuneigung zwischen Mutter und Kind wurde von dem jugendlichen Publikum (11+) mit großen Augen und leichter Abscheu aufgenommen. #
Eine kurze, fast unscheinbare Bemerkung der Mutter führt jedoch zu der Schlussfolgerung, dass diese leicht übertriebene Liebe zur Tochter nicht ganz ehrlich gemeint ist. "Die Augen sind gleich wie seine. Sie erinnern mich immer an ihn, an diesen Mann." Das Gefühl wegen des eigenen Kindes nie ganz von der vergangenen Beziehung loslassen zu können ist frustrierend – auch für das Kind, das doch keine Verantwortung dafür trägt, sich aber immer leicht schuldig fühlen wird, dass die Familie in die Brüche geht.
Auf der anderen Seite besucht sie, hinter dem Rücken der Mutter, immer wieder ihren Vater (Lucas Sanchez)."Schließlich ist er doch der Papa. Er ist mir doch auch wichtig. In meinen Augen ist er doch nicht ein Idiot, wie Mama ihn bezeichnet... Er ist doch mein Papa, er hat mich lieb – und ich ihn auch."
Die szenische Gestaltung und Verwendung von Objekten im Raum war sehr angemessen. Die Depression der Mutter und ihre Schwierigkeit im Leben, trotz so vieler Komplikationen, weiter zu machen, wird auf den beengten Raum einer Badewanne reduziert. Die neue kleine Welt, die sich der Vater nun aufbaut, wird mit einem Tischtennistisch veranschaulicht. Zwischen diesen beiden Ausstattungen, um die herum sich jeweils der dazugehörige Elternteil aufhält, schwankt die Jugendliche hin und her. Diese Darstellung der Unsicherheit der Tochter, die im Mittelpunkt des Geschehens steht, war sehr raffiniert und gut durchdacht.
Beide Elternteile demonstrieren, dass sie in ihrem Leben etwas verpasst haben. Es gab da doch noch etwas, was sie erreichen wollten. War es eine erfolgreiche Karriere? Der Wunsch die weite Welt zu sehen oder sogar auf den Mond zu fliegen? Der Schwerpunkt beruht jedenfalls darauf, dass sie durch die Tochter, die vielleicht ein Hoppala dieses jungen, frisch verliebten Paares war, diesen Traum nicht wahr machen konnten.
Nadja Duesterberg, Lucas Sanchez (Foto: Ursula Kaufmann) |