Kritik zu 'Der Gesang des Krokodils' von Teatro Distinto, von Martin Meißner
Die
Oma und der Dieb, der Eier legte
Foto:Virginia Malaguti |
Das 'Teatro Distinto' gastiert beim
30. Luaga und Losna mit seiner Produktion 'Der Gesang des Krokodils'
ab 6 Jahren
Eigentlich ist die Geschichte schnell
erzählt: Die Oma macht sich was zu essen. Gebückt und staksend,
aber doch irgendwie geschickt deckt sie den Tisch. Als sie kurz mal
weg ist, dringt ein Dieb ins Haus ein. Er hat Hunger, vergreift sich
an einem Brötchen. Doch die Oma erwischt ihn auf frischer Tat, hat
aber Mitleid mit dem hungernden Herumtreiber, und sie schließen
Freundschaft, entdecken sogar, dass sie ähnliche Namen haben: Josef
und Josefine.
Nun kann Josef essen, bis ihm schlecht
wird.... und da geschieht das Wunder: Aus dem Mund von Josef kommt
ein Ei. Und wenig später schlüpft das Küken.... was aber eben kein
solches ist, sondern ein Krokodil! Doch Josefine ist eifersüchtig
und zertritt die kleine Echse.
Einige Zeit später fahren Josef und
Josefine zum Urlaub an den Strand.... und auf wundersame Weise
erscheint das Krokodil nun wieder - nun schon kein Baby mehr. Doch
Josefine hat immer noch kein Herz für das Reptil, und verbuddelt den
schuppigen Nebenbuhler kopfüber im Sand. Josefs trauert wie ein
Schlosshund, singt seinem Kind ein Klagelied. Schließlich
entschuldigt sich die Krokodilsmörderin – und wieder geschieht ein
Wunder: Es gibt ein neues Ei.
Im Programm ist das Stück als Ein
Spiel ohne Worte mit Bewegung, Objekten und Musik angekündigt,
in Wahrheit dreht es sich allerdings sehr viel um Worte. Josefine
(von Guiseppe Palasciano sehr körperlich,überzeugend und präzise
dargestellt), redet Deutsch mit dem Eindringling Josef. Josef
versteht die Sprache von Josefine aber nicht gut: Er versucht die
Worte zu imitieren, doch oft ist es ein Kampf für ihn die Wörter
korrekt zu bilden. Es ist ein langer Weg für ihn von der Imitation
zur Bedeutung der Sprache zu kommen. Ebenso ist es mit den Gefühlen:
Josef (Jacapo Fracasso) geht mit Glück und Trauer ganz anders um als
seine Gastwirtin, ist hier viel stärker, raumeinnehmender, was ihn
letztlich zu einem Fremden macht. Ein Flüchtling, der in einem
fremden Land gestrandet ist? Und hier vielleicht etwas findet, mit
dem er gar nicht gerechnet hat?
Das Fremde ist immer schwierig zu
verstehen. Josefs Liebe zu dem Krokodil erscheint nicht immer logisch
(wie sollte Liebe das auch sein?) - seine Reaktionen sind manchmal
verwirrend, befremdend, fast beängstigend (auch einige Kinder
bemerken das, und ziehen von der ersten Reihe in die weiter
hinteren). Somit versteht wohl auch Josefine diese Liebe nicht ganz,
was sie wohl zum Echsenkiller macht. Und die Versöhnung am Schluss?
Josef gibt ihr rote Boxhandschuhe, in der das neue Ei gefunden wird:
Ästhetisch interessant, aber irgendwie zu schnell.
Fest steht, dass dies eine knappe
Stunde voller beeindruckender Bilder ist: Da haben wir zum Beispiel
Josefine, die Josef bis zum Geht-nicht-mehr mit einem riesigen
Trichter mästet, oder eine Flut von Salz, die den trauernden
Krokodilsvater schier zu überschwemmen scheint. Dazu kommt das sehr
lebendige Zusammenspiel zweier sehr beweglicher und tiefschichtiger
Schauspieler, außerdem richtig coole Musik, die nicht nur die Kinder
begeistert. Auf eine Weise hinterlässt die Inszenierung von Daniel
Gol jedoch eine gewisse Verwirrung, so wie der 'fremde' Josef sie
vielleicht in einer Welt voller andersartiger Konventionen empfindet.
Gol erklärt, er träumte von Krokodilen, bevor er das Stück
inszenierte. Nun, oftmals enden Träume eben im Nirgendwo.
Auf jeden Fall: Die Kinder sind noch
nach der Vorstellung auf der Bühne, bestaunen fasziniert den Schädel
des Krokodil-Skeletts. Es ist also etwas geblieben.