Kritik zu 'Wo Himmel und Meer das Blau tauschen' von 'Dachtheater' von Martin Meißner
Spaß in
Tüten
Foto:Aaron Nossek |
Das
Dachtheater alias Cordula Nossek gibt mit ihrer Produktion 'Wo Himmel
und Meer das Blau tauschen' ab zwei Jahren die Abschlussvorstellungen
des 30. Luaga und Losna-Festivals, und nimmt uns mit an den Strand!
Bei
vielen ist die Erwartungshaltung am Ende des Festivals bestimmt groß:
Insgesamt liefen sieben Produktionen von sieben Gruppen aus sechs
unterschiedlichen Nationen. Alle Genres des Theaters wurden gezeigt,
für fast alle Altersgruppen wurde gespielt. Wie wird nun der
Schlussakkord des 30. Luaga und Losna klingen? Andere, vor allem die
ganz kleinen Zuschauer, haben vielleicht gar keine Erwartungen, oder
die, einfach nur Freude zu haben,
Mit
zwei Einkaufstüren in der Hand, Stirnband und irgendwie seltsam mit
sich selber brabbelnd, schlendert Cordula Nossek ziemlich lässig in
diesen Theaternachmittag für die ganz Kleinen hinein. Sie scheint
keine Eile zu haben ('Na, fangen wir mal an, was?'), und richtet sich
vor einer Leinwand aus blauem Himmel und Meer mit der Gemächlichkeit
einer Wallfahrerin auf ihrem Platz ein... ihrem Sonnenbadeplatz. Denn
ganz klar, wir sind am Strand, und Nossek lädt uns alle ein
mitzukommen! Alles hat sie dabei: Da wird aus ein paar Pappstreifen
die perfekte Badematte, aus einem Transistorradio, das mehr wie ein
Kissen aussieht, dudelt optimale Beach-Musik, zwei von Decke zu Boden
gespannte rote Fäden werden ganz nebenbei zu Gitarrensaiten und eine
große Plastikplane wird schnell mal zur Duschkabine umfunktioniert.
Mit einem Ventilator, den sie von der Seitenbühne herzaubert (das
Verlängerungskabel für den Strom muss noch schnell vom Techniker
geholt werden – den Tipp gibt ihr ein Kind in der ersten Reihe, das
ganz genau aufgepasst hat!), wird die Strandbrise produziert, die
alles an Zeug und Sachen schon mal durcheinanderwirbelt, aber auch
die mitgebrachten Tüten in sanft schwebende Luftquallen verwandelt.
Nachdem jedes Requisit mal aus- und angepackt, und die Plastikplane
im Fahrtwind nun zum Segel wird, ruft die Hauptdarstellerin: 'Volle
Kraft voraus!'
Für
ihr Publikum macht Cordula Nossek aus scheinbar banalen Handlungen
virtuose, hoch phantasievolle Vorgänge. Nossek, die an der
Hochschule für Theater Ernst Busch in Berlin studierte, und schon
seit 32 Jahren für Kinder spielt, konstatiert im Nachgespräch:
'Gutes Theater ist eine Überlebenfrage!'. Und dieses Motto schwingt
in allem, was sie auf der Bühne macht, mit: Das scheinbar Beiläufige
ist Teil eines ausgefuchsten, cleveren und immer luftig-leichten
Konzepts (Regie und Dramaturgie: Florian Drexler), mit dem sie Bühne
und Zuschauerraum in ein energiegeladenes Laboratorium des Spiels
verwandelt. Nichts ist also in dem Sinne bei ihr zufällig, auch
nicht der Rahmen aus Kreide, den sie um ihre Spielfläche malt ('Ich
bin halt Deutsche' kommentiert sie im Nachgespräch humorvoll, 'ich
brauche sowas...').
Plötzlich
kräht etwas auf der Bühne: Das Ei, das die Spielerin auf der Bühne
gefunden hat, ist mittlerweile in einer der Tüten ausgebrütet
worden, und schwupps sitzt ein kleines Möwen-Baby auf ihrer Hand,
das im nächsten Moment schon zu einer kleinen (Papier)-Silhouette
auf der Leinwand geworden ist. Hier ist noch kurz vor Schluss ein
sehr anrührender Moment voller Wehmut.
Doch
gleich nach dem Schlussapplaus geht das Stück weiter, und Cordula
Nossek lässt für das junge Publikum noch einmal ihre Plastikquallen
schweben. Und was auch immer das Publikum angenommen hat, das
Dachtheater hat alle Erwartungen an diesem Abend übertroffen, und
mit 'Wo Himmel und Meer das Blau tauschen' einen spielfreudigen,
spielvielfältigen, spielvirtuosen Theaterabend zum Festival-Ende
hinterlassen.