Kritik zu 'Fliegende Kuh' von Tanztheater 'De Stilte' von Martin Meißner
Foto von Hans Gerritsen |
Spiel
ist überall
Die
niederländische Tanztheatergruppe 'De Stilte' spielte zum Auftakt des
zweiten Teils von 'Luaga und Lasna' 2018 ihr Stück 'Fliegende Kuh'
für Kinder ab 4 Jahren.
Die Bühne ist fast leer; nur ein kleiner, loser Haufen Holzkästen
(sind es Käfige?) ist zu sehen.
Wir hören Morgengeräusche.
Ein kleiner weißer Ball rollt auf die Bühne (ist es ein Ei?).
Die erste Person rollt quasi hinterher, steht auf, bewegt sich mal
rund, mal rhythmisch, mal ruhig, mal verrückt. Ein Vogel?
Wir hören eine Kuh muhen (eindeutig eine Kuh!), ein Eimer schwingt
herein, und der Spieler beginnt eine emsige Tätigkeit: Immer mehr
Eier (sind es Eier?) rollen auf die Bühne, er fängt sie in den
Käfigen auf, hegt sie, benutzt den Eimer als Brutkasten.
Dann erscheint die zweite Person auf der Bühne, bewegt sich im schnellen Rhythmus – ein Huhn?
Sind wir auf einem Bauernhof? Egal!
Die beiden(Orlando Mardenborough und Wiktoria Czakon) tanzen zusammen
– Fliegen sie? Träumen sie? Spielen sie?
Schließlich erscheint Nummer drei (Tessa Wouters): Ist sie die
Bäuerin? Sie läuft scheinbar am Krückstock über die Bühne, nimmt
sie die Eier mit? Doch dann ist sie plötzlich wieder ganz flink, und
alle drei scheinen zusammen zu fliegen. Und wieder ändert sich
alles, denn eins steht bei 'Fliegende Kuh' im Vordergrund: Spiel! Und
wie Kinder in dem Alter ihrer jungen Zuschauer gelingt es dem
Ensemble leicht und überzeugend in das Spiel von Kindern
einzutauchen, das sich im Bruchteil einer Sekunde ändern kann und
immer noch genauso wirklich bleibt. Und wie Kinder es können,
verwandeln sie die Bühne nicht nur blitzschnell in einen Bauernhof,
sondern auch mal in eine Radrennbahn, manchmal scheinen sie
himmelhoch zu fliegen, um dann wieder dramatisch zu stürzen. Spiel,
Licht, Bühnenbild und Bewegung tanzen in 'Fliegende Kuh' zusammen,
füllen die Bühne und den Zuschauerraum mit Magie. Bei der es aber
nicht immer nur harmonisch zugeht – denn der dritte freut sich nur,
wenn zwei sich streiten; doch wenn sich zwei im Spiel gefunden haben,
hat der dritte meist nicht mehr viel zu melden, es gibt Streit,
Eifersucht, vielleicht sogar Rache? Doch hier ist vieles der
Interpretation des Zuschauers überlassen, denn wie Temke Somermil,
Tänzerin und Education-Mitarbeiterin von 'De Stilte' sagt: 'Es geht
viel darum, was man sieht, und viel darum, was man nicht
sieht.' So kann der Zuschauer sich einfach mitwirbeln lassen im
Spielfluss, wo sich alles verwandelt... auch mal in sehr dramatische
Bilder, wenn der Tanzboden sich plötzlich wie ein
winterlicher Sturzbach aufbäumt, oder in sehr poetische, wenn auf
einmal Laub auf die Bühne weht und diese in einen Herbstwald
verwandelt.
Überall ist Spiel. Nie verweilt 'De Stilte' bei einem Gefühl, einem
Bild, einer Situation länger als nötig, das Spiel der Drei, in der Choreografie von Jack Timmermans,
bleibt immer geschmeidig, frisch, jung und klar. Ein gelungener
Auftakt der zweiten Festivalwoche!