Kritik zu „Wo Himmel und Meer das Blau tauschen“ vom „Dachtheater“ von Laura Nußbaumer

Foto von Aaron Nossek











Dem Müll entronnen
 
Ein holpriger Einstieg in die Geschichte, wenn die Zuschauer noch Plätze tauschen, Kinder weinen, lachen und über die Publikumstribüne klettern. Aber Cordula Nossek macht sofort mit einem Räuspern klar, die Bühne gehört jetzt ihr.
„Alles meins“, verkündet sie dem Publikum und zieht mit Kreide eine Linie um ihr Territorium.
 
Wie das Meer hat sie allerdings das Problem, dass da schon vorher Leute waren und ganz schön viel Müll hinterlassen haben. Begleitet vom Staunen der Zuschauer erkundet und entdeckt sie die Bühne und ihre Requisiten. Da liegt zum Beispiel eine große Plastikfolie herum mit der sie sich einen Kampf liefern muss um sich nicht darin zu verheddern. Dann sind da zwei Seile gespannt und mit den großen Plastiktaschen, die die Schauspielerin mitbringt, ist der Strand vor dem Horizont bald voll. Kein Wunder, dass sie das kleine Ei unter all der Unordnung erst so spät bemerkt. Maßnahmen werden ergriffen und das Ei wird schnell aus dem Territorium mit den Kreidegrenzen ausgesperrt.
 
Mit wenigen Erklärungen erschafft Cordula Nossek große Bilder vom Meer, vom Strand, von der Hitze und der Sonne. „Schau!“, fordert sie die Zuschauer immer wieder auf und ahmt dann nur mit ihrer Stimme das Rauschen der Wellen und vorbeiziehende Schiffe nach. Obwohl die Aufforderung „Hör!“ passender wäre, erscheinen ganz von alleine Bilder, die man klar vor seinem geistigen Auge sehen kann.
 
Das Stück „Wo Himmel und Meer das Blau tauschen“ (Regie und Dramaturgie: Florian Drexler) vom „Dachtheater“ aus Österreich kündigt sich als eine „poetisch-rasante Jagd nach dem Horizont“ an. Schon von klein auf soll die Linie am Horizont, die das Blau des Himmels und das Blau des Meeres voneinander trennt, Cordula Nossek fasziniert haben. Mit kindlicher Neugier lässt sie ihr Publikum an ihrer Suche nach dieser Linie teilhaben.
Dabei benutzt sie als Requisiten nur Gegenstände, die auch an jedem Strand als Treibgut zu finden sind: Plastikbesteck, Becher, zurückgelassene Schuhe, ungegessene Würstchen, Plastiktüten, Plastikfolien und anderen Müll. Kein Wunder, dass die Suche nach dem Horizont bei all der Verschmutzung erschwert wird. Der Schauspielerin wird schon ganz heiß und lädt das ausgesperrte Ei nun doch in ihr „Haus“ ein um mit ihr den Strand zu genießen. Als die imaginäre Hitze aber zu groß wird, muss ein Ventilator her, den die Schauspielerin auch gleich herbeiholt. Jetzt fehlt nur noch die Steckdose.
„Gibt keine Steckdose“, hilft ein Kind im Publikum.
„Hab ich auch gemerkt“, entgegnet Cordula Nossek.
Für diesen Fall gibt es aber ein Verlängerungskabel und bald bläst es auf der Bühne, dass die Plastikplanen wie Wellen schlagen. Schnell werden ein paar „Quallen“ aus Plastiksäcken zusammengebunden, damit sie auch im Wind und ins Publikum fliegen können. Ein großer Spaß für die Zuschauer ab 2 Jahren und ein großes Thema für die Umwelt. Selbst Meerestiere haben große Schwierigkeiten den Unterschied zwischen Quallen und Plastiksäcken zu erkennen und essen oft statt einer Qualle einen Plastiksack und sterben dann daran.
 
Auch auf der Bühne geschieht ein scheinbares Unglück: das Ei ist im Durcheinander zerbrochen. Zuerst scheint es verloren, wird dann zum Glück aber in einer Tasche als geschlüpfte Möwe gefunden.
Überzeugend benutzt Cordula Nossek ihre Stimme als einzige Quelle für Musik und Ton und schafft damit die unverwechselbare Atmosphäre des offenen Meeres. Als der Vogel in der Plastiktasche geschlüpft ist, klingt sein Kreischen und Krächzen so echt, dass die jungen Zuschauer richtig überrascht und ein bisschen enttäuscht sind, als die Möwe sich als Handpuppe erweist.
 
Auf kreative Art und Weise schwingt sich der Vogel dann in die Lüfte und erscheint als verschwindende Gestalt am Horizont, oder eher auf dem Bühnenbild. Die Möwe hat den Horizont gefunden, das Publikum bleibt nach einem kurzen Lied „Kann das wirklich enden?“ mit der Sehnsucht nach dem Blau des Meeres und des Himmels zurück.

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